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Für mich persönlich

 

 

Die positive Kraft einer närrischen Frage

 

Bei Problemlösungsprozessen, in der Teamentwicklung und beim Coaching stößt man mit lösungsorientierten Fragen manchmal an Grenzen. Auf Fragen wie „Was ist Ihr Ziel?“, „Wie würde die optimale Zusammenarbeit in unserem Team aussehen?“ oder „Welche Schritte setzen Sie, um Ihr Ziel zu erreichen?“
Kommt manchmal die Antwort: „???“
Hier ist es oft hilfreich, eine „närrische“ Frage zu stellen.


Den Esel am Schwanz ziehen

Von Frank Farrelly, dem Begründer der „Provokativen Therapie“, stammt der Ausspruch:

 

„Wenn der Esel nicht in den Stall will, dann zieh ihn am Schwanz“


Warum das funktioniert? Nun: Stelle ich mich in den Stall und versuche den Esel am Halfter in den Stall zu zerren, dann passiert Folgendes: Der Esel wehrt sich gegen das Zerren und zieht mit voller Kraft in die Gegenrichtung – also vom Stall weg. Zieh ich ihn hingegen am Schwanz, passiert das Gleiche: Der Esel bewegt sich in die Gegenrichtung – in den Stall hinein.


Wir sind zwar keine Esel ...

Ein ähnliches Phänomen finden wir immer wieder vor, wenn wir uns krampfhaft bemühen, eine konstruktive Sichtweise zu einem Thema zu entwickeln, z.B.: Klarheit über ein Ziel, gute Ideen, Veränderungsansätze etc.

 

Es entsteht dabei ein Teufelskreis: An irgendeinem Punkt des Prozesses bekommen wir Stress – der Stress beeinträchtigt unsere kreative Denkfähigkeit – dieses „Versagen“ setzt uns noch mehr unter Stress – Denkblockade! Nichts geht mehr.

 

Der Ausweg aus diesem Teufelskreis kann darin bestehen, das krampfhafte Bemühen um ein konstruktives Ergebnis aufzugeben und stattdessen eine (normalerweise) destruktive Frage zu stellen: „Was müssen wir tun, damit es garantiert schief geht?“

 

Meine Erfahrung damit hat gezeigt, dass sich die depressive Stimmung einer Gruppe oder eines Coachingklienten sofort erhellt, wenn man hemmungslos destruktive Gedanken entwickeln darf. Plötzlich ist wieder Energie da, es wird gelacht (was Stress abbaut) und meist wird in kurzer Zeit viel Input geliefert.

 

Dann erfolgt der zweite Schritt: Man nimmt sich die „Wege zum Misserfolg“ einzeln vor und überlegt: Wenn wir das destruktive Prinzip ins Gegenteil verwandeln: wäre das ein konstruktiver Ansatz für unser Thema?


Beispiel 1: Finden eines Ziels oder Formulierung eines Idealzustandes

Ein Projektteam, das zum ersten Mal in dieser Form zusammenarbeitet, will beim Kickoff-Workshop eine gemeinsame Vorstellung entwickeln, wie es seine Zusammenarbeit optimal gestalten will. Es kommen relativ wenige Wortmeldungen – und die meisten davon sind oberflächliche Allgemeinstatements.

 

In dieser Situation kann folgende Frage hilfreich sein: „Was müssten wir tun,
damit unser Projekt garantiert scheitert und wir als zerstrittener Haufen auseinander gehen?“

 

Hier einige Aussagen:

Jeder hockt auf seinem eigenen Wissen und gibt keine Informationen weiter. Dadurch passieren Fehler und sinnlose Doppelarbeiten.
Wenn jemand einen Fehler gemacht hat, dann treten wir das beim nächsten Teammeeting schön breit und stellen den Kollegen als inkompetent hin.
Alle Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen. Dabei diskutieren wir so lange, bis ein einstimmiger Konsens gefunden worden ist.
Alternative: Der Projektleiter trifft alle Entscheidungen im Alleingang, ohne sich mit den betroffenen Teammitgliedern vorher abzustimmen.

Bei diesen wenigen Statements wird bereits deutlich, um welche Kernthemen es geht:

Informationsfluss und Kooperationsbereitschaft
Umgang mit Fehlern / Kritikverhalten
Entscheidungsfindung

Steigt man in das jeweilige Thema tiefer ein, können die Spielregeln präzisiert werden.

Beim Thema „Informationsfluss“ ist z.B. zu klären: Wer benötigt welche Informationen in welcher Form zu welchem Zeitpunkt? Welche Informationen sind eine Bringschuld, welche eine Holschuld?
Beim Thema „Entscheidungen“ ist zu definieren: Bei welchen Themen muss das ganze Projektteam einberufen werden - und wie wird hier nach eingehender Diskussion eine Entscheidung gefunden (z.B.: Abstimmung per Handheben, Punktebewertung; wo genügt eine einfache Mehrheit, wo brauchen wir Einstimmigkeit)? Bei welchen Themen bespricht sich der Projektleiter mit dem betreffenden Teammitglied, trifft die Entscheidung und informiert anschließend das Team?


Beispiel 2: Entwickeln von Maßnahmen zur Veränderung einer Situation

Ein Coachingklient leidet unter Zeitnot und Stress, weil er sich selbst oft mehrere interessante Dinge gleichzeitig vornimmt und sich zusätzlich auch von Anderen noch einiges aufhalsen lässt („der verlässliche, gutmütige Kumpel“). Es ist ihm bewusst, dass es mit Prioritätensetzen und Nein-Sagen zu tun hat, aber auf die Frage nach dem konkreten "Wie" ist er eher ratlos. Auf Ideen seitens des Coaches kommt immer die gleiche Antwort: „Geht nicht, weil ...“.

 

Der Widerstand kommt oft daher, dass die Situation, auch wenn sie primär als unangenehm empfunden wird, auch ihre guten Seiten hat, z.B.: ich werde gebraucht, bin bei allen beliebt, werde mir der Sinnleere meines Lebens nicht bewusst, weil ich ja ständig so viel zu tun habe, dass ich gar nicht zum Nachdenken komme, etc.

 

In dieser Situation kann folgende Frage hilfreich sein: „Was müssten Sie tun, damit Sie innerhalb des nächsten halben Jahres garantiert einen Herzinfarkt bekommen?“ Ziel dieser Frage ist nicht nur das Auffinden destruktiver Verhaltensweisen, sondern durch das bewusste Ansprechen des möglichen Herzinfarktes und dem tiefen Hineingehen in die destruktiven Muster auch der Protest des Klienten gegen seinen bisherigen Weg im Sinne von „Jetzt reicht es! So geht es nicht weiter!“

 

Durch die Antworten rücken Themen wie der Umgang mit der eigenen Energie, sinnvolle Entspannung, Rhythmus sowie das Treffen von Prioritäten ins Zentrum. Bei den Prioritäten geht es dabei nicht nur um das Auswählen von Aufgaben und Vorhaben, sondern auch um die grundsätzliche Prioritätenfrage: Was ist für mich wichtiger: die Arbeit oder meine Gesundheit?
Aus dieser erweiterten Perspektive fällt es dann oft leichter praktikable Maßnahmen zu finden.


Der Nutzen der närrischen Frage

Die Frage nach sicheren Wegen ins Unglück hat mehrere konstruktive Wirkungen:

Sie erweitert den Betrachtungshorizont
Sie zeigt das Wesen des möglichen negativen Szenarios recht drastisch auf
Sie lässt das negativen Szenario als durchaus realistisch erscheinen und löst (hoffentlich) den entscheidenden Protest aus: „Das will ich / wollen wir auf keinen Fall!“
In den destruktiven Aussagen ist oft schon die Lösung enthalten:

 

was muss ich bleiben lassen
welche konstruktive Handlung ergibt sich aus der Umkehrung der negativen Aktion?
welche weiteren positiven Ideen werden auf assoziativem Weg ausgelöst?

... und meistens macht es Spaß, sich vorübergehend auf das Schwarzmalen einzulassen und hinterher erleichtert zu erkennen:
„So ein Esel werde ich wohl doch nicht sein!“

 

19.01.2006

 

 


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Die positive Kraft einer närrischen Frage

 

Bei Problemlösungsprozessen, in der Teamentwicklung und beim Coaching stößt man mit lösungsorientierten Fragen manchmal an Grenzen. Auf Fragen wie „Was ist Ihr Ziel?“, „Wie würde die optimale Zusammenarbeit in unserem Team aussehen?“ oder „Welche Schritte setzen Sie, um Ihr Ziel zu erreichen?“
Kommt manchmal die Antwort: „???“
Hier ist es oft hilfreich, eine „närrische“ Frage zu stellen.


Den Esel am Schwanz ziehen

Von Frank Farrelly, dem Begründer der „Provokativen Therapie“, stammt der Ausspruch:

 

„Wenn der Esel nicht in den Stall will, dann zieh ihn am Schwanz“


Warum das funktioniert? Nun: Stelle ich mich in den Stall und versuche den Esel am Halfter in den Stall zu zerren, dann passiert Folgendes: Der Esel wehrt sich gegen das Zerren und zieht mit voller Kraft in die Gegenrichtung – also vom Stall weg. Zieh ich ihn hingegen am Schwanz, passiert das Gleiche: Der Esel bewegt sich in die Gegenrichtung – in den Stall hinein.


Wir sind zwar keine Esel ...

Ein ähnliches Phänomen finden wir immer wieder vor, wenn wir uns krampfhaft bemühen, eine konstruktive Sichtweise zu einem Thema zu entwickeln, z.B.: Klarheit über ein Ziel, gute Ideen, Veränderungsansätze etc.

 

Es entsteht dabei ein Teufelskreis: An irgendeinem Punkt des Prozesses bekommen wir Stress – der Stress beeinträchtigt unsere kreative Denkfähigkeit – dieses „Versagen“ setzt uns noch mehr unter Stress – Denkblockade! Nichts geht mehr.

 

Der Ausweg aus diesem Teufelskreis kann darin bestehen, das krampfhafte Bemühen um ein konstruktives Ergebnis aufzugeben und stattdessen eine (normalerweise) destruktive Frage zu stellen: „Was müssen wir tun, damit es garantiert schief geht?“

 

Meine Erfahrung damit hat gezeigt, dass sich die depressive Stimmung einer Gruppe oder eines Coachingklienten sofort erhellt, wenn man hemmungslos destruktive Gedanken entwickeln darf. Plötzlich ist wieder Energie da, es wird gelacht (was Stress abbaut) und meist wird in kurzer Zeit viel Input geliefert.

 

Dann erfolgt der zweite Schritt: Man nimmt sich die „Wege zum Misserfolg“ einzeln vor und überlegt: Wenn wir das destruktive Prinzip ins Gegenteil verwandeln: wäre das ein konstruktiver Ansatz für unser Thema?


Beispiel 1: Finden eines Ziels oder Formulierung eines Idealzustandes

Ein Projektteam, das zum ersten Mal in dieser Form zusammenarbeitet, will beim Kickoff-Workshop eine gemeinsame Vorstellung entwickeln, wie es seine Zusammenarbeit optimal gestalten will. Es kommen relativ wenige Wortmeldungen – und die meisten davon sind oberflächliche Allgemeinstatements.

 

In dieser Situation kann folgende Frage hilfreich sein: „Was müssten wir tun,
damit unser Projekt garantiert scheitert und wir als zerstrittener Haufen auseinander gehen?“

 

Hier einige Aussagen:

Jeder hockt auf seinem eigenen Wissen und gibt keine Informationen weiter. Dadurch passieren Fehler und sinnlose Doppelarbeiten.
Wenn jemand einen Fehler gemacht hat, dann treten wir das beim nächsten Teammeeting schön breit und stellen den Kollegen als inkompetent hin.
Alle Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen. Dabei diskutieren wir so lange, bis ein einstimmiger Konsens gefunden worden ist.
Alternative: Der Projektleiter trifft alle Entscheidungen im Alleingang, ohne sich mit den betroffenen Teammitgliedern vorher abzustimmen.

Bei diesen wenigen Statements wird bereits deutlich, um welche Kernthemen es geht:

Informationsfluss und Kooperationsbereitschaft
Umgang mit Fehlern / Kritikverhalten
Entscheidungsfindung

Steigt man in das jeweilige Thema tiefer ein, können die Spielregeln präzisiert werden.

Beim Thema „Informationsfluss“ ist z.B. zu klären: Wer benötigt welche Informationen in welcher Form zu welchem Zeitpunkt? Welche Informationen sind eine Bringschuld, welche eine Holschuld?
Beim Thema „Entscheidungen“ ist zu definieren: Bei welchen Themen muss das ganze Projektteam einberufen werden - und wie wird hier nach eingehender Diskussion eine Entscheidung gefunden (z.B.: Abstimmung per Handheben, Punktebewertung; wo genügt eine einfache Mehrheit, wo brauchen wir Einstimmigkeit)? Bei welchen Themen bespricht sich der Projektleiter mit dem betreffenden Teammitglied, trifft die Entscheidung und informiert anschließend das Team?


Beispiel 2: Entwickeln von Maßnahmen zur Veränderung einer Situation

Ein Coachingklient leidet unter Zeitnot und Stress, weil er sich selbst oft mehrere interessante Dinge gleichzeitig vornimmt und sich zusätzlich auch von Anderen noch einiges aufhalsen lässt („der verlässliche, gutmütige Kumpel“). Es ist ihm bewusst, dass es mit Prioritätensetzen und Nein-Sagen zu tun hat, aber auf die Frage nach dem konkreten "Wie" ist er eher ratlos. Auf Ideen seitens des Coaches kommt immer die gleiche Antwort: „Geht nicht, weil ...“.

 

Der Widerstand kommt oft daher, dass die Situation, auch wenn sie primär als unangenehm empfunden wird, auch ihre guten Seiten hat, z.B.: ich werde gebraucht, bin bei allen beliebt, werde mir der Sinnleere meines Lebens nicht bewusst, weil ich ja ständig so viel zu tun habe, dass ich gar nicht zum Nachdenken komme, etc.

 

In dieser Situation kann folgende Frage hilfreich sein: „Was müssten Sie tun, damit Sie innerhalb des nächsten halben Jahres garantiert einen Herzinfarkt bekommen?“ Ziel dieser Frage ist nicht nur das Auffinden destruktiver Verhaltensweisen, sondern durch das bewusste Ansprechen des möglichen Herzinfarktes und dem tiefen Hineingehen in die destruktiven Muster auch der Protest des Klienten gegen seinen bisherigen Weg im Sinne von „Jetzt reicht es! So geht es nicht weiter!“

 

Durch die Antworten rücken Themen wie der Umgang mit der eigenen Energie, sinnvolle Entspannung, Rhythmus sowie das Treffen von Prioritäten ins Zentrum. Bei den Prioritäten geht es dabei nicht nur um das Auswählen von Aufgaben und Vorhaben, sondern auch um die grundsätzliche Prioritätenfrage: Was ist für mich wichtiger: die Arbeit oder meine Gesundheit?
Aus dieser erweiterten Perspektive fällt es dann oft leichter praktikable Maßnahmen zu finden.


Der Nutzen der närrischen Frage

Die Frage nach sicheren Wegen ins Unglück hat mehrere konstruktive Wirkungen:

Sie erweitert den Betrachtungshorizont
Sie zeigt das Wesen des möglichen negativen Szenarios recht drastisch auf
Sie lässt das negativen Szenario als durchaus realistisch erscheinen und löst (hoffentlich) den entscheidenden Protest aus: „Das will ich / wollen wir auf keinen Fall!“
In den destruktiven Aussagen ist oft schon die Lösung enthalten:

 

was muss ich bleiben lassen
welche konstruktive Handlung ergibt sich aus der Umkehrung der negativen Aktion?
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